Update 29. September 2020
Die Regierung von Oberbayern hat Anfang letzter Woche über die Schulämter die Schulen aufgefordert, die Akzeptanz von Attesten über die Befreiung von der Pflicht zum Tragen einer MNB für Schulkinder von der Nennung einer Diagnose abhängig zu machen und die Atteste in den Schülerunterlagen aufzubewahren und zu speichern. Dies bestätigte man mir Mitte letzter Woche telefonisch bei der Regierung von Oberbayern.
Weil wir jedenfalls letztere Vorgehensweise für möglicherweise rechtswidrig halten – die Nennung der Diagnose hält das Verwaltungsgericht Würzburg für rechtmäßig und die Klärung durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof steht noch aus – baten wir unsere Anwaltskanzlei um eine Stellungnahme, die ich Ihnen hier in einer Zusammenfassung übermittle.
Die Rechtmäßigkeit der Aufbewahrung der Atteste in Kopie oder Original in der Schülerakte hält auch unsere Kanzlei für äußerst zweifelhaft.
Soweit Atteste als wesentliche Vorgänge im Sinne des § 37 S. 2 Nr. 1 lit. p BaySchulO zu qualifizieren sind, dürften sie in der Schülerakte aufbewahrt werden. Dafür müssten sie zur nachvollziehbaren und transparenten Dokumentation der Schullaufbahn zwingend notwendig sein. Bereits der Blick auf den Zweck der Aufbewahrung lässt die Notwendigkeit der Aufbewahrung von Attesten in Kopie oder Original in der Schülerakte äußerst zweifelhaft erscheinen.
Bei hinreichender Aussagekraft des Attests erscheint es vielmehr ausreichend, dass dieses der Schule zur Prüfung vorgelegt wird und die Schule Gelegenheit bekommt, einen Vermerk in der Schülerakte zu hinterlegen, mit dem die Vorlage des Attests dokumentiert wird. Dies geht auch aus dem Beschluss des VG Würzburg vom 16.10.2020, Az.: W 8 E 10.1301 hervor.
Auch die Regierung Schwaben hat sich, einem internen Papier zufolge, inzwischen unter Verweis auf den zitierten Beschluss des VG Würzburg angeschlossen.
Ähnlich gelagert ist auch die Regelung des § 20 Abs. 9 S. 1 IfSG für die Vorlage von Nachweisen über die Masernimpfung im Rahmen der neuen Bestimmungen des Masernschutzgesetzes. Hier ist auch von bayerischer Behördenseite inzwischen anerkannt, dass die vorgelegten Nachweise zwar dokumentiert, aber nicht dauerhaft von der Gemeinschaftseinrichtung (auch Schule) als Kopie oder im Original einbehalten werden dürfen.
Im Übrigen verlangt der in Art. 5 Abs. 1 lit c. DSGVO normierte Grundsatz der Datenminimierung, dass nur diejenigen Daten in dem Umfang verarbeitet werden dürfen, wie es der konkrete Zweck erfordert. Eine datenschutzrechtliche Grundlage für die Einbehaltung eines Attests, das Gesundheitsdaten von Kindern beinhaltet ist nicht ersichtlich.
Anlässlich der unterschiedlichen Handhabe bei der Regierung von Schwaben und Oberbayern sowie der Bezugnahme der Regierung von Oberbayern auf den noch nicht rechtskräftigen Beschluss des VG Würzburg, haben wir das Staatsministerium für Unterricht und Kultus sowie den Datenschutzbeauftragten des Freistaats Bayern schriftlich dazu aufgefordert, eine Stellungnahme zu diesem Sachverhalt abzugeben.
Im unten stehenden Dokument finden Sie die Kurzstellungnahme unserer Kanzlei im Detail.
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Nachdem zahlreiche Schulen in Bayern die ärztlichen Atteste zur Befreiung von der Pflicht zum Tragen einer Maske (auch MNB) nicht gelten lassen, haben wir uns mit unseren Anwälten beraten und fassen die Ergebnisse im Folgenden gerne zusammen.
Da die Erfolgsaussichten einer Klage auf Durchsetzung der eigenen Interessen wesentlich vom individuellen Fall abhängen, also konkret vom betroffenen Kind, seiner gesundheitlichen Konstellation, dem ausgestellten Attest sowie dem entscheidenden Gericht, lassen sich hier nur allgemeine Hinweise formulieren.
Diese Hinweise sollen Ärzten und Patienten dazu dienen, Atteste auszustellen und in Anspruch zu nehmen, die möglichst von den Stellen akzeptiert werden, die eine Einsichtnahme begehren.
Soweit sich aus den Corona-Verordnungen ergibt, dass eine Glaubhaftmachung zur Befreiung der Pflicht genügt, müssen zwei Ebenen unterschieden werden: erstens die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Pflicht zum Tragen einer MNB; zweitens die Glaubhaftmachung dieser Voraussetzungen. Soweit die Voraussetzungen für die Befreiung von der Pflicht vorliegen, ist es sinnvoll, diese durch ein ärztliches Attest glaubhaft und damit auch überprüfbar zu machen. Denn der materiell-rechtliche Anspruch auf Befreiung hilft Kind und Eltern erst dann weiter, wenn ihr Begehr auch durchsetzbar ist. Die bloße Behauptung, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung vorliegen, wird daher ohne weiteres weder von der Schule noch gegenüber einem Gericht als ausreichend anerkannt werden.
Grundsätzlich gilt:
Je individueller und konkreter ein Attest ausgestellt wird, desto eher wird es anerkannt werden und einer gerichtlichen Überprüfung standhalten können. Kurzum, das Attest muss aussagekräftig sein.
Aus diesem Grund können Prophezeiungen über den wahrscheinlichen Eintritt einer gesundheitlichen Beeinträchtigung die Erfolgsaussichten schmälern und sollten – wenn möglich – in der Formulierung vermieden werden.
Bessere Erfolgsaussichten haben Atteste, die nachvollziehbar zumindest erkennen lassen, auf welcher Grundlage der Arzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt.
Je detaillierter und aussagekräftiger sich die Aufzeichnungen in Attest oder in der Patientenakte ausgestalten, aus der die im Attest genannten gesundheitlichen Beschwerden durch das Tragen einer Maske resultieren, desto größer sind die Erfolgsaussichten der Durchsetzung des Anspruchs vor Gericht.
Viele Ärzte scheuen aus datenschutzrechtlichen Erwägungen die Nennung der konkreten aus dem Maskentragen resultierenden Symptome und Diagnosen. Da der Patient hier gehalten wäre, von der ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden, gerät der Patient möglicherweise in ein unauflösbares Spannungsverhältnis zwischen dem Anspruch auf Datenschutz und seinem Interesse auf Durchsetzbarkeit seiner Begehr, hier der Beschulung bei und trotz der Befreiung von der Pflicht zum Tragen einer Maske.
Soweit sich Eltern für ihre Kinder auf Normen aus der DS-GVO beziehen, um zu verdeutlichen, welche besonderen Rechte beim Schutz von Gesundheitsdaten ihnen zustehen, sind sie selbst an der Glaubhaftmachung ihres Anspruchs auf Befreiung gehindert und das Beharren auf den Rechten der DS-GVO erschwert oder verunmöglicht gar die Durchsetzung der ansonsten ggf. vorliegenden Befreiungsvoraussetzungen bis hin zum Gerichtsverfahren, in dem die Befreiungsvoraussetzungen ebenfalls glaubhaft gemacht werden müssen und gerichtlich voll überprüfbar sind.
Denn auch die im Attest beschriebenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen können im Gerichtsverfahren einer umfassenden Prüfung durch das Gericht unterzogen werden.
Ein Anspruch der Schule auf Einbehaltung des Originals oder der Kopie des ärztlichen Attests wird in aller Regel nicht bestehen. Gleichwohl wird man der Schule das Recht zubilligen müssen, dass das Ergebnis und die Begründung des Attests mit Notizen dokumentiert und in der Schülerakte abgelegt werden, so lange dies erforderlich ist.
Sollte ein akuter Zustand bestehen, kann es sein, dass die Schule nach einer bestimmten Zeit das Vorlegen eines weiteren aktuellen Attests begehrt. Es ist nicht auszuschließen, dass ein Gericht dieses Vorgehen als rechtmäßig anerkennt.