In ihrem Artikel „Corona und die Illusion des effektiven Rechtsschutzes“, kostenpflichtig erschienen in der FAZ, üben Rechtsanwältin Jessica Hamed und ihr rechtswissenschaftlicher Mitarbeiter Benjamin Stibi, differenziert Kritik an der Übung unserer Gerichte, im Eilverfahren lediglich summarische Prüfungen vorzunehmen.
Soweit dies einer durchschnittlich-gesellschaftlichen Situation gerecht werden kann, muss in unserer neuen Lebenswirklichkeit das Gegenteil erkannt werden.
In einer summarischen Prüfung wird die Sach- und Rechtslage grundsätzlich nicht „in ihrer vollen Komplexität ergründet. Angesichts des zermürbenden Umstandes, dass es alleine das Eilverfahren ist, das in der „Corona-Situation“, die unablässig neue Rechtslagen generiert, überhaupt irgendeinen Rechtsschutz in Aussicht stellt, hätten die Gerichtsentscheidungen laut den Autoren an Tiefe gewinnen müssen.
„In dieser Ausnahmesituation liegt es auf der Hand, dass es nicht akzeptabel ist, die eigentlichen Rechtsfragen zurückzustellen. Ihre Klärung muss vielmehr absolute Priorität haben.“
Angst hält uns gefangen
Hamed und Stibi sind der Ansicht, es wäre sowohl materiell-, als auch prozessrechtlich durchaus möglich, die drängenden Fragen erschöpfend zu klären.
Die Ursachen für das Untätigbleiben an wesentlichen Stellen, sehen sie im Glauben der Richter, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen, in der höchst problematischen Angst vor Verantwortung sowie dem öffentlichen Druck, der auf den Richtern lastet.
Angst bestimme nicht nur den gesellschaftlichen, sondern auch den juristischen Diskurs.
Dies verleihe dem Ausspruch „Im Namen des Volkes“ allerdings eine ganz neue Bedeutung: die Obergerichte zögen es vor, ihre Hauptsacheentscheidungen auf den Zeitpunkt nach der Krise hinauszuzögern.
Der Mut der Richter
Hoffnung, dass der Mut am Ende siegt, lässt sich dieser Tage aus einer Entscheidung in Österreich schöpfen.
In einer Klage der FPÖ gegen einen ablehnenden Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, bezüglich einer angemeldete Versammlung Anfang Januar, setzt sich das Verwaltungsgericht Wien am 24. März 2021 – in stimmungserhellender Manier – gerade substantiiert mit den wesentlichen Sach- und Rechtsfragen auseinander.
Der entscheidende Richter, Dr. Frank, stellt im Urteil fest, dass die Verwendung der Bezeichnungen „Fallzahlen“, „Testergebnisse“ sowie der „Anzahl der Infektionen“ durch die beteiligten Behörden ein Durcheinanderwerfen von Begriffen darstelle, die der wissenschaftlichen Beurteilung der Seuchenlage nicht gerecht wird.
Selbst für die WHO sei die Anzahl der Infektionen, bzw. Erkrankten entscheidend und schlüssigerweise nicht die Anzahl der positiv Getesteten oder „sonstiger Fallzahlen“.
Auch wies die Behörde weder die CT-Werte der Testergebnisse aus, noch stellte sie klar, ob ein symptomlos Getesteter erneut getestet und anschließend klinisch untersucht wurde.
Die WHO aber folge dem Erfinder der PCR-Tests, Dr. Cary Mullis, der mutatis mutandis die Ungeeignetheit der PCR-Tests zur Diagnostik in den Raum stelle.
Dieser nämlich sagt, wie bereits seit langem bekannt, für sich alleine gerade nichts über Krankheit oder Infektion eines Menschen aus.
Doch auch Antigentests wiesen bei Symptomlosigkeit hohe Fehlerquoten auf, so das Gericht. Insgesamt sei festzuhalten, dass die Informationen der Behörde keine validen und evidenzbasierten Aussagen zum Seuchengeschehen vorbrächten.
Die aber bloß abstrakte Befürchtung eines „konsenswidrigen“ Betriebs könne nicht zu einer prophylaktischen Versagung einer Bewilligung führen – erst recht, wenn Grund- und Freiheitsrechte betroffen sind, wie die Versammlungsfreiheit im konkreten Fall.
Auf dass dieser Leuchtturm mehr Mut im Feld erzeuge!