Kurz-Stellungnahme zur Rechtmäßigkeit sog. Corona-Testpflichten

Wir haben eine Stellungnahme zur Rechtmäßigkeit von Testanordnungen bei unserer Kanzlei in Auftrag gegeben. Aus ihr ergibt sich, dass eine Testung grundsätzlich angeordnet werden kann. Die einzelnen Voraussetzungen ergeben sich aus den unterschiedlichen Rechtsgrundlagen. Statthafter Rechtsbehelf ist regelmäßig die Anfechtungsklage. Wegen der meist angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit bedarf es zusätzlich gerichtlichen Eilrechtsschutzes. Diese Stellungnahme vom 13. Oktober 2020 können Sie hier lesen.


Die Pflicht, eine körperliche Untersuchung zum Test auf eine Infektion mit dem SARS-CoV-2 Virus durchführen oder an sich dulden zu lassen, kann je nach Sachverhalt auf verschiedene Rechtsgrundlagen gestützt werden. Im Folgenden wird es vornehmlich um die Voraussetzungen für die rechtmäßige Anordnung einer solchen Testpflicht gehen.
Corona-Testpflichten können Bestandteil von ärztlichen Untersuchungen sein, die im Infektionsschutzgesetz (IfSG) an verschiedenen Stellen vorgesehen sind bzw. rechtlich ermöglicht werden.


In Betracht kommt eine Anordnung zur Testpflicht, die unmittelbar auf der Regelung des § 25 IfSG, ggf. in Verbindung mit der Regelung des § 29 IfSG beruht. Hiernach kann die zuständige Behörde beispielsweise eine konkrete Anordnung zur Durchführung oder Duldung eines Tests im Einzelfall gegenüber einer Person treffen oder im Wege einer Allgemeinverfügung gegenüber einer konkret bestimmbaren Personengruppe, ggf. auch in Verbindung mit einer Quarantäne-Anordnung (dazu unter 1.)
Überdies sieht das Infektionsschutzgesetz an verschiedenen Stellen für besondere Situationen vor, dass die Duldung von auch die Testung beinhaltenden ärztlichen Untersuchungen verfügt werden kann, etwa bei der Einreise aus einem Risikogebiet (dazu unter 2.).


Mögliche Sanktionen bei Verstößen werden im Anschluss kurz dargestellt (unter 3.).

  • Testpflicht aufgrund allgemeiner Befugnisse gegenüber mindestens Ansteckungsverdächtigen

    1.1. Allgemeine Ermittlungsbefugnisse des Gesundheitsamts
    Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) sieht in § 25 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 und 2 vor, dass Personen, bei denen anzunehmen ist, dass sie krank, krankheitsverdächtig, ansteckungsverdächtig oder Ausscheider im Hinblick auf eine bedrohliche übertragbare Krankheit sind, verpflichtet werden können entweder dem Gesundheitsamt bereits vorhandenes Untersuchungsmaterial bereitzustellen oder Untersuchungen und Entnahmen von Untersuchungsmaterial an sich vornehmen zu lassen.

    Das SARS-CoV-2 Virus ist ein Virus, welches die Atemwegserkrankung COVID-19 verursachen kann, die wiederum als eine bedrohliche übertragbare Krankheit im Sinne des IfSG eingestuft wird. Bedrohliche übertragbare Krankheiten sind gemäß der Legaldefinition in § 2 Nr. 3a IfSG übertragbare Krankheiten, die auf Grund klinisch schwerer Verlaufsformen oder ihrer Ausbreitungsweise eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit verursachen können.
    Voraussetzung ist nach dieser Regelung aber weiterhin, dass es sich mindestens um eine ansteckungsverdächtige Person handelt. Gemäß § 2 Nr. 7 IfSG sind das Personen, von denen anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen haben, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Aufnahme von Krankheitserregern dann anzunehmen, wenn die Wahrscheinlichkeit dafür größer ist als das Gegenteil, wobei für die Beurteilung die Eigenheiten der Krankheit, epidemiologische Erkenntnisse und Wertungen sowie die jeweiligen Erkenntnisse über Zeitpunkt, Art und Umfang der möglichen Exposition und über die Empfänglichkeit der Person für den Erreger zu berücksichtigen sind (BVerwG v. 22.03.3012 – 3 C 16/11). Gegenüber Personen, von denen nicht anzunehmen ist, dass sie krank, krankheitsverdächtig, ansteckungsverdächtig oder Ausscheider sind, können behördliche Anordnungen jedenfalls nicht auf § 25 Abs. 3 S. 1 IfSG gestützt werden.

    1.2. Testpflicht im Rahmen einer Beobachtung/Quarantäne durch das Gesundheitsamt
    Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider können einer behördlichen Beobachtung unterworfen sein, § 29 Abs. 1 IfSG. Im Rahmen dieser Beobachtung können die Ermittlungsbefugnisse nach § 25 Abs. 3 IfSG – also eine ärztliche Untersuchung und damit auch die Duldung eines Tests (Vgl. unter 1.2.) – ebenfalls zum Einsatz kommen, was in § 29 Abs. 2 S. 2 IfSG geregelt ist. Besondere Bedeutung kommt diesen Regelungen in Verbindung mit sog. Quarantäne-Anordnungen zu, die regelmäßig auf § 30 IfSG gestützt werden und in der Regel mit einer Beobachtung einhergehen.

    1.2.1. Verwaltungsakt gegenüber einzelnen Personen
    Ergeht eine solche Anordnung im Einzelfall gegenüber einer Person, so wird in aller Regel die Anfechtungsklage statthafter Rechtsbehelf sein. Ein Widerspruchsverfahren findet nach § 15 Abs. 2 iVm Abs. 1 AGVwGO Bayern nicht statt. Maßnahmen, die nach § 29 Abs. 2 Satz 2 IfSG in Verbindung mit § 25 Abs. 3 IfSG angeordnet werden, sind nicht von vorneherein aufgrund gesetzlicher Anordnung sofort vollziehbar, da § 29 Abs. 2 S. 2 IfSG nicht auch auf § 25 Abs. 2 S. 1 IfSG und damit auch nicht auf § 16 Abs. 8 IfSG verweist. Vom Grundsatz her käme einer Anfechtungsklage daher aufschiebende Wirkung zu. Anders wäre es jedoch, wenn die Behörde ihre Test-Anordnung nicht nur auf § 29 Abs. 2 S. 2 IfSG stützt, sondern zugleich § 25 IfSG als originäre Grundlage hierfür heranzieht, da die Maßnahme dann aufgrund Gesetzes (§ 16 Abs. 8 IfSG) sofort vollziehbar ist.
    Für die Praxis ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Maßnahme entweder bereits von Gesetzes wegen sofort vollziehbar ist oder die Behörde zusätzlich zu der Maßnahme deren sofortige Vollziehung anordnet wird, so dass in diesen Fällen keine aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage besteht. Das heißt, dass die Behörde ihre Anordnung sofort vollziehen kann und daran nicht durch die Klageerhebung gehindert wird.

    Um gegen die Möglichkeit der Behörde zur sofortigen Vollziehbarkeit der Maßnahme vorzugehen bedarf es – zusätzlich zum Klageverfahren – in aller Regel gerichtlichen Eilrechtsschutzes (Anträge an die Behörde sind selten ergiebig und rechtlich auch nicht erforderlich).
    Im Eilverfahren trifft das Gericht lediglich eine Entscheidung, die auf einer Abwägung der rechtlichen Interessen beruht. Ergibt sich, dass sich die Anordnung bei summarischer Prüfung im Klageverfahren als rechtmäßig erweisen wird, so geht die Abwägung zu Lasten der betroffenen Person aus. Ist eine solche Erfolgsaussicht nicht prognostizierbar, werden die Interessen der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehbarkeit der Anordnung gegenüber dem Interesse des Betroffenen an der Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit abgewogen und das stärker zu gewichtende Interesse wird für die Entscheidung ausschlaggebend sein.

    1.2.2. Allgemeinverfügung gegenüber bestimmbarer Personengruppe
    Eine solche Anordnung kann nicht nur im Einzelfall gegenüber einer Person ergehen, sondern kann auch als Allgemeinverfügung gegenüber einer bestimmbaren Personengruppe erlassen werden.
    So hat das Bayerische Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege am 18. August 2020 auf der Grundlage von § 28 Abs. 1 Satz 1, § 29 Abs. 1 und 2, § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG eine Allgemeinverfügung zur Isolation von Kontaktpersonen der Kategorie I, Verdachtspersonen und positiv getesteten Personen erlassen (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18. August 2020, Az. GZ6a-G8000-2020/572, verlängert bis 30. November 2020 durch Allgemeinverfügung vom 29. September 2020 des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege, Az. G5ASz-G8000-2020/122-622 (BayMBl. 2020 Nr. 555)).
    Die Allgemeinverfügung gilt für Kontaktpersonen der Kategorie I, für Personen mit Erkrankungsanzeichen für die eine Testung angeordnet wurde oder die sich nach ärztlicher Beratung einer Testung unterzogen haben (Verdachtspersonen) sowie für Personen mit positivem Testergebnis ohne dass sie Verdachtspersonen sind oder der Kategorie I angehören.

    Ziffer 4.3. dieser Allgemeinverfügung bestimmt (nur) für die Personengruppe der Kontaktpersonen der Kategorie I (enger Kontakt; „höheres“ Infektionsrisiko), dass diese die Entnahme von Untersuchungsmaterial durch Beauftragte des Gesundheitsamtes an sich vornehmen lassen müssen. Dies betrifft insbesondere Abstriche von Schleimhäuten und Blutentnahmen.

    1.2.2.1. Kontaktperson der Kategorie I

    Personen, die im infektiösen Zeitintervall Kontakt mit einem bestätigtem COVID-19-Fall („Quellfall“) hatten, werden als „Kontaktperson“ bezeichnet. Kontaktpersonen der Kategorie I sind nach der Einordnung des Robert Koch Instituts unter anderem:
    -Personen mit kumulativ mindestens 15-minütigem Gesichts- („face-to-face“) Kontakt mit einem Quellfall, z.B. im Rahmen eines Gesprächs. Dazu gehören z.B. Personen aus demselben Haushalt
    -Personen mit direktem Kontakt zu Sekreten oder Körperflüssigkeiten, insbesondere zu respiratorischen Sekreten eines Quellfalls, wie z.B. Küssen, Anhusten, Anniesen, Kontakt zu Erbrochenem, Mund-zu-Mund Beatmung, etc.
    -Personen, die nach Risikobewertung durch das Gesundheitsamt mit hoher Wahrscheinlichkeit einer relevanten Konzentration von Aerosolen auch bei größerem Abstand zum Quellfall als 1,5 m entfernt ausgesetzt waren (z.B. Feiern, gemeinsames Singen oder Sporttreiben in Innenräumen) oder wenn sich zusätzlich zuvor der Quellfall eine längere Zeit (>30 Min.) im Raum aufgehalten hat
    -Personen in relativ beengter Raumsituation oder schwer zu überblickender Kontaktsituation mit dem bestätigten COVID-19-Fall (z.B. Kitagruppe, Schulklasse), unabhängig von der individuellen Risikoermittlung
    -Medizinisches Personal mit Kontakt zum Quellfall z.B. im Rahmen von Pflege oder medizinischer Untersuchung (≤ 1,5 m) ohne adäquate Schutzkleidung (siehe unten)
    -Medizinisches Personal mit Kontakt zum Quellfall im Rahmen von Pflege oder medizinischer Untersuchung (> 1,5 m) mit relevanter Aerosolproduktion, ohne adäquate Schutzkleidung (siehe unten)
    -Falls die Kontaktperson früher bereits selbst ein Quellfall war, ist keine Quarantäne erforderlich. Es soll ein Selbstmonitoring erfolgen und bei Auftreten von Symptomen eine sofortige Selbst-Isolation und Testung. Bei positivem Test wird die Kontaktperson wieder zu einem Fall. In dieser Situation sollten alle Maßnahmen ergriffen werden wie bei sonstigen Fällen auch (inkl. Isolation).

    1.2.2.2. Rechtliche Bewertung
    Indem die Allgemeinverfügung auf Kontaktpersonen der Kategorie I abstellt, ist davon auszugehen, dass damit zumindest ein dem Ansteckungsverdacht gleichwertiges Infektionsrisiko vorausgesetzt wird, so dass sich die Allgemeinverfügung diesbezüglich jedenfalls im Rahmen der Anforderungen der §§ 25, 29 IfSG bewegt.
    Deutlich ist damit aber auch, dass gegenüber Personen, die nicht als Kontaktpersonen der Kategorie I gelten, nach der Allgemeinverfügung keine Anordnung zur Duldung der Maßnahmen für die Durchführung eines Tests erfolgt. Entsprechend wird man in diesen Fällen aber auch eine Einzelverfügung für rechtswidrig erachten müssen, da es am Vorliegen des nach § 25 und § 29 IfSG erforderlichen Ansteckungsverdachts fehlen dürfte.

    Ob gegenüber Personen, von denen anzunehmen ist, dass sie keine dieser Voraussetzungen erfüllen (also krank, krankheitsverdächtig, ansteckungsverdächtig oder Ausscheider zu sein), auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG zurückgegriffen werden kann, wird zwar im Grundsatz von der Rechtsprechung bejaht und nur von Teilen der Literatur bestritten. Die Anordnung einer ärztlichen Untersuchung bei einer Person ohne Vorliegen einer dieser Voraussetzungen wird jedoch am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit scheitern. Denn nicht ohne Grund gehört die Annahme über das Vorliegen (in § 25 Abs. 1-3 IfSG) bzw. die Feststellung (in § 29 Abs. 1 IfSG) einer der Voraussetzungen (krank, krankheitsverdächtig, ansteckungsverdächtig oder Ausscheider) zum Tatbestand der Eingriffsgrundlage in § 25 Abs. 1-3 IfSG und § 29 Abs. 1 u. 2 IfSG.
    Einzig Personen, die unter die Test-Pflicht-Anordnung für Einreisende fallen (vgl. dazu unter 2.), könnten trotzdem einer Testpflicht unterfallen, da es hier nur auf die Einreise aus einem Risiko-Gebiet ankommt, nicht jedoch auf das Vorliegen eines Ansteckungsverdachts.

    Bezogen auf die verfassungsrechtlich erforderliche Bestimmtheit der Regelungen, die zu körperlichen Eingriffen (Art. 2 Abs. 2 GG) ermächtigen, begegnet die Ermächtigungsgrundlage für ärztliche Untersuchungen im Rahmen der Duldung eines Corona-Tests keinen Bedenken, da § 25 Abs. 3 IfSG in Verbindung mit § 29 Abs. 2 S. 2 IfSG konkrete Angaben zum Umfang der Duldungspflicht enthält.
    Inwiefern eine möglicherweise rechtswidrig angeordnete Quarantäne Einfluss auf die rechtliche Bewertung von Untersuchungsmaßnahmen hat, ist nur schwerlich allgemeingültig zu beantworten. In der Regel wird die Quarantäne-Anordnung aber insoliert von der Test-Maßnahme zu beurteilen sein, da beide einen unterschiedlichen Regelungsgegenstand haben, in der Allgemeinverfügung getrennt voneinander geregelt sind und auf eigenständigen Ermächtigungsgrundlagen im IfSG beruhen.

    Zu beachten ist weiterhin, dass auch die tatsächliche Umsetzung der Allgemeinverfügung im Einzelfall verhältnismäßig sein muss.

    1.2.2.3. Rechtsschutz

    Die Quarantäne und Duldungsanordnung der Allgemeinverfügung gilt unmittelbar, sobald die Voraussetzungen, Kontaktperson der Kategorie I zu sein, bekannt sind.
    Wie gegenüber der Einzelverfügung ist auch hier in aller Regel die Anfechtungsklage statthafter Rechtsbehelf. Ein Widerspruchsverfahren findet nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 VwGO nicht statt. Aufgrund der Anordnung in Ziffer 8 der Allgemeinverfügung sind die darin enthaltenen Anordnungen auch sofort vollziehbar. Eine Anfechtungsklage hat daher keine aufschiebende Wirkung. Das heißt, dass die Behörde die Regelungen in der Allgemeinverfügung sofort vollziehen kann und daran nicht durch die Klageerhebung gehindert wird.
    Um gegen die Möglichkeit der Behörde zur sofortigen Vollziehbarkeit der Maßnahme vorzugehen bedarf es – zusätzlich zum Klageverfahren – in aller Regel gerichtlichen Eilrechtsschutzes (Anträge an die Behörde sind selten ergiebig und rechtlich auch nicht erforderlich).

    Im Eilverfahren trifft das Gericht lediglich eine Entscheidung, die auf einer Abwägung der rechtlichen Interessen beruht. Ergibt sich, dass sich die Anordnung bei summarischer Prüfung im Klageverfahren als rechtmäßig erweisen wird, so geht die Abwägung zu Lasten der betroffenen Person aus. Ist eine solche Erfolgsaussicht nicht prognostizierbar, werden die Interessen der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehbarkeit der Anordnung gegenüber dem Interesse des Betroffenen an der Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit abgewogen und das stärker zu gewichtende Interesse wird für die Entscheidung ausschlaggebend sein.

  • Testpflicht bei Einreise
    2.1. Derzeit keine Testpflicht aufgrund Anordnung durch das BMG
    § 5 Abs. 2 Nr. 1 IfSG ist die Ermächtigungsgrundlage für eine Anordnung des BMG gegenüber Personen, „die in die Bundesrepublik Deutschland einreisen wollen oder eingereist sind und die wahrscheinlich einem erhöhten Infektionsrisiko für bestimmte bedrohliche übertragbare Krankheiten ausgesetzt waren, insbesondere weil sie aus Gebieten einreisen, die das Robert Koch-Institut als gefährdet eingestuft hat, ausschließlich zur Feststellung und Verhinderung einer Einschleppung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit“. Die Anordnung kann grundsätzlich auch zur Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses oder zur Durchführung einer ärztlichen Untersuchung verpflichten, § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe e IfSG.

    Zwar besteht derzeit eine solche Anordnung des BMG von 29.10.2020 (veröffentlicht am Dienstag, 29. September 2020, BAnz AT 29.09.2020 B2). Diese enthält auch einzelne Verpflichtungen, wie z.B. nach der Einreise Angaben zu machen zu Identität, Reiseroute, Kontaktdaten, Vorliegen von Symptomen oder negativer Testergebnisse. Die Verpflichtung zur Durchführung einer ärztlichen Untersuchung, die ein sog. Corona-Test auch wäre, ist in der Anordnung jedoch nicht enthalten.

    2.2. Derzeitige Testpflicht nach § 36 Abs. 7 S. 2 IfSG in Verbindung mit einer Rechtsverordnung des BMG

    Auch wenn es keine Anordnung des BMG zu einer Testpflicht auf der Grundlage von § 5 Abs. 2 Nr. 1 IfSG gibt, hat das BMG auf der Grundlage von § 36 Abs. 7 S. 2 IfSG eine Rechtsverordnung erlassen, die Anknüpfungspunkt und Voraussetzung für die in § 36 Abs. 7 S. 2 IfSG geregelte ärztliche Untersuchung ist.


    2.2.1. § 36 Abs. 7 S. 2 IfSG als Ermächtigungsgrundlage

    Nach § 36 Abs. 7 IfSG wird
    „Das Bundesministerium für Gesundheit […] ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates festzulegen, dass Personen, die in die Bundesrepublik Deutschland einreisen wollen oder eingereist sind und die wahrscheinlich einem erhöhten Infektionsrisiko für eine bestimmte schwerwiegende übertragbare Krankheit ausgesetzt waren, vor oder nach ihrer Einreise ein ärztliches Zeugnis darüber vorzulegen haben, dass bei ihnen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer solchen schwerwiegenden übertragbaren Krankheit vorhanden sind, sofern dies zum Schutz der Bevölkerung vor einer Gefährdung durch schwerwiegende übertragbare Krankheiten erforderlich ist; […]. Personen, die kein auf Grund der Rechtsverordnung erforderliches ärztliches Zeugnis vorlegen, sind verpflichtet, eine ärztliche Untersuchung auf Ausschluss einer schwerwiegenden übertragbaren Krankheit im Sinne des Satzes 1 zu dulden; […]. In der Rechtsverordnung können nähere Einzelheiten insbesondere zu den betroffenen Personengruppen und zu den Anforderungen an das ärztliche Zeugnis nach Satz 1 und zu der ärztlichen Untersuchung nach Satz 2 bestimmt werden. […].“
    Bisweilen wird § 36 Abs. Abs. 7 S. 3 IfSG im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz für problematisch erachtet, da für die invasiven körperlichen Eingriffe (Art. 2 Abs. 2 GG) keine näheren Vorgaben gemacht werden (Kießling/Scheigler, IfSG 2020, § 36 Rn. 55) sondern diese in der Rechtsverordnung selbst geregelt werden „können“. Würde man insofern zur Verfassungswidrigkeit der Ermächtigungsgrundlage kommen, wäre auch die darauf beruhende Rechtsverordnung mangels Rechtsgrundlage als rechtswidrig zu qualifizieren. Eine Testpflicht könnte dann jedenfalls nicht mehr auf § 36 Abs. 7 S. 2 IfSG gestützt werden. Sie wird sich ggf. aber trotzdem – jedoch nur bei Vorliegen der dort geregelten Voraussetzungen (Ansteckungsverdacht) – auf §§ 25, 29 IfSG stützen lassen.

    2.2.2. Inhalt der Rechtsverordnung vom 6. August 2020
    Aufgrund der Ermächtigungsgrundlage in § 36 Abs. 7 S. 1, 3 und 5 IfSG hat das BMG am 7. August 2020 (veröffentlicht am Freitag, 7. August 2020 BAnz AT 07.08.2020 V1) eine Rechtsverordnung erlassen mit folgendem Inhalt:
    „§ 1 Testpflicht
    (1) Personen, die auf dem Land-, See- oder Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland einreisen und sich zu einem beliebigen Zeitpunkt in den letzten 14 Tagen vor der Einreise in einem Gebiet aufgehalten haben, in dem ein erhöhtes Infektionsrisiko mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 besteht, haben nach ihrer Einreise auf Anforderung des zuständigen Gesundheitsamtes oder der sonstigen vom Land bestimmten Stelle ein ärztliches Zeugnis nach Maßgabe des Absatzes 2 darüber vorzulegen, dass bei ihnen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vorhanden sind. Die Anforderung nach Satz 1 kann bis zu 14 Tage nach Einreise erfolgen. Gebiete im Sinne des Satzes 1 sind die Gebiete, die das Robert Koch-Institut zum Zeitpunkt der Einreise auf seiner Internetseite unter https://www.rki.de/covid-19-risikogebiete veröffentlicht hat.
    (3) Die ärztliche Untersuchung auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2, die Personen nach § 36 Absatz 7 Satz 2 des Infektionsschutzgesetzes verpflichtet sind zu dulden, weil sie nicht ihrer Pflicht nach Absatz 1 Satz 1 nachkommen, umfasst eine molekularbiologische Testung auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 einschließlich einer Abstrichnahme zur Gewinnung des Probenmaterials.“

    2.2.3. Vollzug der Verordnung durch Allgemeinverfügung in Bayern
    Die Rechtsverordnung des BMG vom 6. August 2020 wurde in Bayern durch Allgemeinverfügung von 7. August 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 451 v. 7. August 2020 Az. GZ6a-G8000-2020/122-521) vollzogen. Sie bestimmt:
    „Die Verordnung zur Testpflicht von Einreisenden aus Risikogebieten (Verordnung) sieht in ihrem § 1 Abs. 1 vor, dass sämtliche Personen, die den dort genannten Tatbestandsvoraussetzungen unterfallen, ohne weitere Voraussetzungen eine Rechtspflicht zur Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses der dort genannten Art trifft.
    Um den zuständigen Behörden die ordnungsgemäße Abwicklung der Zeugniskontrollen zu ermöglichen, haben diese Personen ihrer – an sich sofort mit Einreise bestehenden – Pflicht tatsächlich erst dann nachzukommen, sobald sie von den zuständigen Gesundheitsbehörden hierzu aufgefordert werden.
    Dazu wird bestimmt:
  • Personen, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 der Verordnung erfüllen und die über die Flughäfen München, Nürnberg oder Memmingen einreisen, sind im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung aufgefordert, ein ärztliches Zeugnis im Sinne des § 1 Abs. 2 der Verordnung sofort bei Einreise vorzulegen.
  • Personen, die von Nr. 1 erfasst sind und bei Einreise kein ärztliches Zeugnis im Sinne von § 1 Abs. 2 der Verordnung vorlegen, haben sich an einem der eingerichteten Testzentren einer sofortigen ärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 durch eine molekularbiologische Testung einschließlich einer Abstrichnahme zur Gewinnung des Probenmaterials zu unterziehen.“
    Während Ziffer 3 einzelne Ausnahmebestimmungen enthält, bestimmt Ziffer 4 der Allgemeinverfügung, dass „Ein Verstoß gegen die Pflicht, eine ärztliche Untersuchung nach § 36 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 1 IfSG zu dulden,“ nach § 73 Abs. 1a Nr. 19 IfSG als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann.
    Derzeit gilt diese Allgemeinverfügung bis 30. November 2020 (vgl. Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 29. September 2020, Az. G5ASz-G8000-2020/122-622 (BayMBl. 2020 Nr. 555)).

    2.2.4. Rechtsschutz
    Gegenüber Personen, die aus Risikogebieten einreisen und kein ärztliches Zeugnis im Sinne der Verordnung vorlegen gilt die Untersuchungsanordnung der Allgemeinverfügung unmittelbar (Ziffer 5 der Allgemeinverfügung regelt ihre sofortige Vollziehbarkeit).
    Entsprechend der Darstellung unter 1.2.2.3., ist auch gegen diese Allgemeinverfügung in aller Regel die Anfechtungsklage statthafter Rechtsbehelf. Ein Widerspruchsverfahren findet nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 VwGO nicht statt. Aufgrund der sofortigen Vollziehbarkeit hat die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung. Das heißt, dass die Behörde die Regelungen in der Allgemeinverfügung sofort vollziehen kann und daran nicht durch die Klageerhebung gehindert wird.

    Um gegen die Möglichkeit der Behörde zur sofortigen Vollziehbarkeit der Maßnahme vorzugehen bedarf es – zusätzlich zum Klageverfahren – in aller Regel gerichtlichen Eilrechtsschutzes (Anträge an die Behörde sind selten ergiebig und rechtlich auch nicht erforderlich).
    Im Eilverfahren trifft das Gericht lediglich eine Entscheidung, die auf einer Abwägung der rechtlichen Interessen beruht. Ergibt sich, dass sich die Anordnung bei summarischer Prüfung im Klageverfahren als rechtmäßig erweisen wird, so geht die Abwägung zu Lasten der betroffenen Person aus. Ist eine solche Erfolgsaussicht nicht prognostizierbar, werden die Interessen der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehbarkeit der Anordnung gegenüber dem Interesse des Betroffenen an der Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit abgewogen und das stärker zu gewichtende Interesse wird für die Entscheidung ausschlaggebend sein.

    2.3. Derzeit keine Testpflicht nach § 36 Abs. 6 S. 2 IfSG in Verbindung mit einer Rechtsverordnung der Landesregierung
    Zwar sieht § 36 Abs. 6 S. 2 IfSG entsprechend der Regelung in § 36 Abs. 7 S. 2 IfSG vor, dass „Personen, die kein auf Grund der Rechtsverordnung erforderliches ärztliches Zeugnis vorlegen, […] verpflichtet [sind], eine ärztliche Untersuchung auf Ausschluss schwerwiegender übertragbarer Krankheiten im Sinne des Satzes 1 zu dulden.“
    Eine nach dieser Regelung erforderliche Rechtsverordnung der Landesregierung liegt derzeit jedoch nicht vor. Sie erscheint auch nicht erforderlich, da der mögliche Regelungsgehalt bereits mit der Rechtsverordnung durch das BMG gemäß § 36 Abs. 7 IfSG ausreichend abgedeckt wird.

    Sanktionsmöglichkeiten
    Im Falle eines Verstoßes gegen eine rechtmäßig angeordnete Duldung einer ärztlichen Untersuchung (Testpflicht) nach der sog. „Einreise-Quarantäneverordnung – EQV“ oder der Rechtsverordnung des BMG über die Testpflicht für Einreisende aus Risikogebieten sieht der entsprechende Bußgeldkatalog des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 24. August 2020 (Az. G51f-G8000-2020/122-584) einen Regelrahmen von 500 Euro – 10.000 Euro vor und legt den Regelsatz auf 2000 Euro fest.