Thesenpapier 2.0 – Schrappe 2020

Die Pandemie durch SARS-CoV-2/Covid-19 – Datenbasis verbessern, Prävention gezielt weiterentwickeln, Bürgerrechte wahren – das Thesenpapier

Sechs hochrangige Experten aus Gesundheits- und Sozialpolitik, darunter ehemalige Mitglieder des Sachverständigenrates der Bundesregierung, darunter auch Prof. Dr. med. Klaus Püschel, legen ein Thesenpapier 2.0 vor. Auf Seite 67 des Dokuments nehmen die Experten Stellung zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Eingriffe der CORONA-Maßnahmen:

Die Verhältnismäßigkeitsprüfung dürfe nicht mit der „Holzhammermethode“ (Hofmann 2020) erfolgen. Ein Eingriff müsse ein legitimes Ziel in geeigneter, erforderlicher und angemessener Weise verfolgen. Kohärenz sei notwendige „Begleitmusik zum infektionsschutzrechtlichen Tanz“ (Michl 2020).

Inwieweit Ausweispflichten, die Untersagung der Nutzung von Zweitwohnungen oder das Verbot touristischer Reisen geeignet seien, legitime Ziele des Infektionsschutzes zu erreichen, dürfe mehr als bezweifelt werden (Wissenschaftlicher Dienst 2020, 16f mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Das gelte erst recht für das Verbot, die Grenzen eines Bundeslands zu überschreiten oder das Gebot, ein Bundesland zu verlassen. Die Ab- und Ausweisung an Ländergrenzen sollte im Jahr 30 der Wiedervereinigung politisch und juristisch tabu sein.
Vor allem aber sei mit zunehmender Dauer der Freiheitsbeschränkungen immer wieder zu prüfen, ob diese nicht außer Verhältnis zum verfolgten Zweck stünden.

Bei der Prüfung reiche es nicht aus, allein auf die Erkrankungs- und Todeszahlen abzustellen. Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit begründe sicher besondere Schutzpflichten des Staates, sei aber nicht per se anderen Grundrechten übergeordnet.

Vor allem sei es nicht zulässig, Leben gegen Leben aufzurechnen. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Nichtigkeit einer Abschussermächtigung im Luftsicherheitsgesetz seien Pflichtlektüre für alle, die (verfassungs-)rechtliche Überlegungen zur Corona-Pandemie anstellen.

(BVerfGE 115, 118 ff.)

Ansonsten wäre eine Debatte um ein Tempolimit auf Autobahnen schlicht überflüssig (Kingreen 2020). Daher sei kontinuierlich zu prüfen, inwieweit Ausnahmeregelungen von strikten Regulierungen ausgeweitet und die Zielsetzung der Regelungen durch Auflagen milderer Vorgaben erreicht werden könnten.

Wolfgang Schäuble im Berliner Tagesspiegel

Was gestern noch unausweichlich war, könne schon morgen fehlerhaft sein. Dies dämmere auch aufgeklärten Politikern (beispielhaft das Interview mit dem Präsidenten des Deutschen Bundestags Wolfgang Schäuble im Berliner Tagesspiegel vom 26.4.2020), selbst wenn sie anschließend von Vereinfachern und Law and Order-Spezialisten bewusst missverstanden würde. Die skizzierten Anforderungen würden nicht nur für bereits beschlossene Maßnahmen, sondern erst recht für das, was in Erwägung gezogen wird, gelten. Das betreffe etwa die diskutierte Ausstellung von lmmunitätsausweisen oder den Einsatz von Tracing- und Tracking-Apps, deren Zulässigkeit aus Sicht der Experten von der technischen Ausgestaltung (zentrale oder dezentrale Speicherung der Daten) und der Freiwilligkeit der Anwendung abhängig sein wird.